Donnerstag, 2. Juli 2015

Sag mir, wie Du sprichst und ich habe eine Vorstellung davon, wie Du denkst. Bild Nr. 112 zitiert "...gehört zu den Highlights im Veranstaltungsreigen". Der "Veranstaltungsreigen" ist so geil, geiler geht es wohl nicht. Der "Reigen" ist ein altbackenes Wort, das mir - wenn überhaupt - nur im Zusammenhang mit Schnitzlers Theaterstück vertraut ist. In dem Stück geht es auch um Geilheit. Dass nun Karlsruhe zum Stadtgeburtstag einen "Veranstaltungsreigen" bietet, ist der geilen Gedankenwelt derer entsprungen, denen nichts mehr an Gedanken einfällt, außer, dass sie etwas Besonderes sagen wollen. Und dann greifen sie in ihre Wortschatzkiste und erwischen ein altbackenes Wort und blasen es aus. Es gibt ein Bild von Hans Thoma, wo auch so ein "Reigen" gezeigt wird, Kinder mit Pausbackengesichtern halten einander Händchen und tanzen und drum herum ist grüne Wiese und blauer Himmel und Blumenkranz im Haar - erinnere ich mich da richtig? Ich glaube, das Bild hängt in der Kunsthalle. Es gehört also zum Karlsruher "Bilderreigen". Der Geist, der heute vom "Reigen" spricht, ist durchdrungen von verklärter Unschuldssehnsucht und Sehnsucht nach heiler Welt. Bei Hans Thoma gibt's davon auch viel.
Ich bin alle. Ich haue manchmal selbst solche hirnlosen Formulierungen raus. Keine Energie mehr, sich nochmal eine neue und ganz eigene Formulierung auszudenken. So ergeht es dem Journalisten. Alle. Bei mir kommen andere Wörter aus der Wort"schatz"kiste hoch. Highlight. Auch so geil. Wenn selbst die Kiste alle sein sollte, machst Du copy and paste und dann übernimmst Du die Highlights der anderen und wenn es nach den anderen geht, gibt es nur noch Highlights.
Ja, ich hatte (in etwa) mich richtig erinnert: www.musee-imaginaire.de
Falsch war meine Erinnerung, dass die Kinder Blumenkränze im Haar hätten. Erstaunlicherweise (für mich und mein Gedächtnis erstaunlich) gucken die Kinder auf Hans Thomas Bild auch nicht glücklich, sondern vom Schicksal gestempelt. Keine Ahnung warum, aber mir fällt gerade dazu der Spruch ein "Wer Reval raucht, frisst kleine Kinder" und ich denke an bärtige Männer des 19. Jahrhunderts, die die Vorbereiter für jene Generationen waren, die später das Wort "Prügelstrafe" so gelassen begeistert in den Mund nahmen wie heutige Dummdeppen das Wort "Veranstaltungsreigen" heraus, ähm blasen. Die Kugelschreiberzeichnung auf Bild Nr. 112 stammt übrigens von meiner Nichte Annegret (4 Jahre) und meiner Tochter Paula (3 Jahre).